Thomas Berger
Wilhelm Busch – bekannt und unbekannt
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Wilhelm Busch (1832 bis 1908) gilt als bedeutender humoristischer Zeichner und Dichter. Bei seinem Namen denken wir zum Beispiel an die volkstümlichen Bildergeschichten „Max und Moritz“ (1865), „Hans Huckebein“ (1867) oder „Die fromme Helene“ (1872).
Auch die durch ihn weit verbreiteten Redewendungen kommen uns leicht in den Sinn, beispielsweise die Zweizeiler: „Vater werden ist nicht schwer, / Vater sein dagegen sehr“ oder: „Rotwein ist für alte Knaben / Eine von den besten Gaben“.
Weniger bekannt ist, dass Busch eigentlich Kunstmaler werden wollte und auch entsprechende Studien aufnahm. Auch sein zweites Ziel, als ernstzunehmender Prosaist und Lyriker in die Geschichte einzugehen, erreichte er nicht.
Thomas Berger lenkt den Blick auf die vielfältigen Seiten im Leben und Schaffen des berühmten und nach wie vor beliebten Poeten.
Zusätzliche Informationen
Autor | Thomas Berger |
---|---|
Verleger | edition federleicht |
ISBN | 978-3-946112-57-0 |
Seiten | 50 |
Veröffentlicht | 25. Januar 2020 |
Auflage | |
Cover | Paperback |
Künstlerische Gestaltung | Illustration, Denis Mohr |
1 Bewertung für Wilhelm Busch – bekannt und unbekannt
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Aus dem Vorwort von THOMAS BERGER, Autor
Rüdiger Jung –
Schon Denis Mohrs Titelgraphik nimmt den Leser für sich ein: dieses Konterfei des Karikaturisten Wilhelm Busch lässt bei allem Humor, aller Leichtigkeit noch Raum für eine andere Ebene, die nicht so leicht aufzuweisen und vorzuzeigen ist – genau ihr hat sich das Buch verschrieben.
Berndt Schulz liefert bereits im Vorwort Grundzüge einer markanten Deutung von Wilhelm Buschs Leben und Werk: „Alles fängt mit Größe an und endet klein. Etwas baut sich auf – und stürzt zusammen. Wenig klappt, ein Happy End anfänglicher Absichten gibt es nicht. Oder selten […] Man muss schon unschuldiges Kleinstkind sein oder tierischer Zeitgenosse, dem Rest des Personals geht es bei Busch an den Kragen.“ (S. 8)
Ein Umstand, für den Schulz den historischen Hintergrund namhaft macht: „[…] – bei Busch waren das die selbstgerechten deutschen Jahrzehnte nach der gescheiterten 48er Revolution. Draußen laufen die Bösen zur Hochform auf. Gier, Gemeinheit, Größenwahn regieren. […] Dem biederen Bürger mit seiner Sehnsucht nach Schlafrock und Seelenfrieden geht es dabei am schlechtesten. […] Wir begreifen, dass „gutgemeinte Kritik des Herzens“ nicht genügt in einer gallenbitteren, hartherzigen und gedankenverwirrten Zeit.“ (S. 8f.)
Thomas Berger vermittelt in scharf konturierten Zügen Lebens- und Charakterbild Wilhelm Buschs (1832 bis 1908). Er verschweigt nicht die problematischen Seiten „des Wortkargen, Ungeselligen und zu cholerischen Ausbrüchen Neigenden“, des „starken Raucher(s) und Alkoholabhängige(n)“. (S. 28) Und zieht – nicht ohne große Sympathie für das Objekt seiner Betrachtung – das Fazit: „Der lustig-scharfsinnige Betrachter menschlichen Treibens zog die Einsamkeit der Geselligkeit vor, ging der großen Menge aus dem Weg.“ (S. 27)
Berger wirft einen Blick auf den Werdegang des Bildenden Künstlers Wilhelm Busch, dem erst hundert Jahre nach seinem Tod in Ausstellungen verstärkt Tribut gezollt wurde: Er „besuchte […] die ‚Königliche Akademie der schönen Künste‘ in Düsseldorf. Anschließend betrieb er Kunststudien in Antwerpen. Die Entdeckung der bedeutenden niederländischen Maler – etwa Rembrandt, Rubens und van Eyk – wurde für ihn zu einem Schlüsselerlebnis. Doch er fand keinen eigenen Stil, da er sich zu sehr an der Kunst der Niederländer orientierte und deshalb an seiner künstlerischen Begabung zweifelte. Dennoch erlosch seine Leidenschaft für die Malerei nicht.“ (S. 14)
Aber auch in der Literatur ist der Erfolg, den Wilhelm Buch genießen durfte, mit jenem, den er sich gewünscht hätte, alles andere als deckungsgleich. Die „lustige(n) Geschichten, die er mit Zeichnungen treffend illustrierte […] machten ihn […] zum deutschen Wortkomiker und Volkspoeten schlechthin. Aber Busch wäre gerne, wenn schon nicht als Kunstmaler, so doch als ernstzunehmender Lyriker und Prosaist anerkannt worden.“ (S. 14f.) Aus diesem (Miss-)Verhältnis resultieren die Seiten „bekannt und unbekannt“ in Thomas Bergers Titel.
Der Autor zitiert beide, die wohlbekannten humoristischen wie die weniger bekannten „ernsten“ Werke Buschs.
Berger verschweigt nicht, dass Busch so das eigene Werk in eine falsche Alternative rückt – steckt doch sein wohlbekanntes humoristisches Werk voller Ernst und Hintersinn. Es sind die von Berger mit großer Sorgfalt ausgewählten Zitate und Textpassagen Buschs und die von ihm gebotenen Interpretationsansätze, die einem Wilhelm Buschs Leben und Werk, vor allem seinen eigenen Anspruch und sein eigenes Werkverständnis sehr viel näher bringen.
„… das Trachten des Menschen ist böse von Jugend an“, heißt es in der Genesis, dem ersten Buch des Alten Testaments (Kapitel 8, Vers 21) […] Es ist deutlich, dass der Lyriker sich von dem vernichtenden Urteil der Bibel über das menschliche Streben und Handeln keineswegs ausnimmt. […] Die schonungslosen Analysen entbehren freilich nicht des Humors, aber sie zielen, nicht ohne ironische Färbung, auf die Erkenntnis unserer Schwächen und Bösartigkeiten sowie auf das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit. Es verwundert nicht, dass ihnen ein rauer Wind entgegenschlug – wer bekommt schon gern den Spiegel vorgehalten?“ (S. 22f.)
Soweit zur „ernsten“ Lyrik. Und die humoristische? Ist ihrerseits bitterernst, wenn sich der zarten Andeutung einer Beziehung folgende köstliche Beobachtung in den Weg stellt:
Auf einmal aber stutzte ich.
Sie kramte zwischen dem Gewürze.
Dann schneuzte sie und putzte sich
Die Nase mit der Schürze. (S. 24)
Aber die wohl größte Neuentdeckung im Werk Wilhelm Buschs, die Thomas Berger mir zu bieten hat, ist das Gedicht DIE FREUNDE mit der folgenden herrlichen Exposition:
Zwei Knaben, Fritz und Ferdinand,
Die gingen immer Hand in Hand,
Und selbst in einer Herzensfrage
Trat ihre Einigkeit zutage. (S. 19)
Das ist köstlich gesagt; und es steht von vornherein fest, dass die „Einigkeit“ in der „Herzensfrage“ (beide lieben das gleiche Mädchen) voller Potential zur Entzweiung ist. Käthchen führt die Entscheidung herbei: wer ihr als Erster eine süße Birne kredenzt, dem will sie gehören. Eine Absprache der beiden Galane, sie gemeinsam zu besorgen, ist wohl vom ersten Moment an zum Scheitern verurteilt. Der eine gewinnt den Preis – die Hand des Mädchens! –, der andere die Schläge und Püffe des gebeutelten Birnbaumbesitzers. Armer Ferdinand! Seine Schlussperspektive ist überaus bedauerlich – auch wenn es die blumigsten Worte sind, mit denen da geschönt wird:
Wie angewurzelt blieb er stehn.
Ach, hätt‘ er es doch nie gesehn:
Die Käthe hat den Fritz geküsst,
Worauf sie eine Birne isst.
Seit dies geschah, ist Ferdinand
Mit Fritz nicht mehr so gut bekannt. (S. 20)
Das herrliche Understatement am Schluss vermag es mit dem trockensten britischen Humor aufzunehmen. Apropos: was die Bewertung Bergers Essay über Busch betrifft, schließe ich mich Berndt Schulz an: „THOMAS BERGER nimmt es mit Busch auf. Es gelingt ihm mühelos, seine fundierten Kenntnisse, auch über den – aus oben genannten Gründen – schwierigen, einsamen, ernsten Wilhelm Busch in einen lehrreichen und auch vergnüglichen Text zu übertragen.“ (S. 9)